Antirassismus-Wochen: Den Flüchtlingen ein Gesicht geben

Der Fotograf Martin Gommel fotografiert vor der Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Karlsruhe einen Flüchtling aus Somalia. Foto: dpa

Von Gioia Forster und Peter Zschunke, dpa

203 000 Menschen suchten im vergangenen Jahr Asyl in Deutschland. Wer sich hinter diesem Etikett «Flüchtling» verbirgt, erkundet ein Karlsruher Fotograf. In den jetzt gestarteten Wochen gegen Rassismus will er den Medienberichten über Asylbewerber ein Gesicht geben.

Karlsruhe (dpa/lsw) - Yassanew blickt geradeaus in die Kamera. Seine Arme sind verschränkt, der Anflug eines Lächelns in seinem Gesicht zeigt aber Offenheit und Neugier. Wer ist dieser Fotograf, der sich für mein Leben interessiert? Der junge Mann aus Gambia wird von Martin Gommel fotografiert. Er macht Porträts von Flüchtlingen in Karlsruhe - und will die Menschen hinter dem Etikett «Flüchtling» zeigen.

«Mir fehlen die Gesichter von den Menschen, über die man die ganze Zeit spricht», sagt Gommel. In der Politik und den Medien werde ständig über Flüchtlinge gesprochen, er aber habe sich gefragt: Wo sind die, um die es eigentlich geht? Im Dezember vergangenen Jahres sprach der 34-jährige Fotograf Flüchtlinge vor der Landeserstaufnahmestelle in Karlsruhe an - und startete ein ungewöhnliches Fotoprojekt: Eines von 1150 Veranstaltungen bundesweit zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus (16. bis 29. März). Dazu werden rund 10 000 Besucher erwartet.

Jedes Bild wird begleitet von einer Beschreibung Gommels, wie er die Person kennengelernt und was sie ihm erzählt hat. «So entsteht eine Art Minibegegnung für Menschen, die Vorbehalte haben, selbst mit Flüchtlingen zu sprechen.» Seine Fotos postet er auf Facebook und in seinen Blog. Mit seinen Bildern sieht sich der Karlsruher Fotograf als eine Art Brückenbauer - zwischen Flüchtlingen, die oft nur als Teil einer Statistik wahrgenommen werden, und dem Rest der Gesellschaft.

Brücken bauen will Gommel auch mit einem Fotovortrag zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus mit ihrem bundesweiten Auftakt am Montag in Karlsruhe. Unter dem Motto «Anerkennung statt Ausgrenzung» bildet die Situation von Flüchtlingen einen besonderen Schwerpunkt. Erstmals gebe es auch Veranstaltungen mit der Beteiligung von Flüchtlingen, sagt Britta Graupner vom Interkulturellen Rat in Deutschland.

So widmet sich etwa ein Workshop mit zwei Betroffenen in Berlin der Situation von geflüchteten Frauen. Dazu gehört auch die kaum thematisierte sexualisierte Gewalt gegen Frauen auf der Flucht oder in Flüchtlingslagern. In Leipzig bringt ein Ensemble mit syrischen Flüchtlingen ein Stück auf die Bühne, das mit biografischen Bruchstücken vom Zwiespalt zwischen Heimat und Fremde erzählt. Und im westfälischen Hamm beginnt eine Wanderausstellung, die von Asylbewerbern erstellt wurde und Missstände der deutschen und europäischen Flüchtlingspolitik aufzeigt.

«Spätestens mit der Globalisierung können wir in Europa, in Deutschland, aber auch in Karlsruhe nicht unbeteiligt Beobachtende der weltweiten Fehlentwicklungen sein», sagt der Oberbürgermeister von Karlsruhe, Frank Mentrup (SPD). Der Karlsruher Fotograf Gommel rückt mit seinen Porträts die Menschen in den Vordergrund, die nach Deutschland geflüchtet sind. Seine digital fotografierten Bilder sind alle schwarz-weiß - so könne man diese Menschen würdevoller porträtieren, sagt er.

Mit Minderheiten und Randgruppen hat der Vater von zwei Kindern sein Thema gefunden. Im Mai will er auf den Balkan reisen. Da wolle er erfahren, was mit den Leuten passiere, die von Deutschland ins Kosovo abgeschoben würden. Was treibt Gommel an? Seine Antwort: «Wenn die Menschen weniger wegschauen und Flüchtlingen mit mehr Offenheit begegnen, dann habe ich viel gewonnen.»

Veröffentlicht von der Deutschen-Presse Agentur

Zu sehen unter anderem in der Esslinger Zeitung.

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